Urteil zu "NEU!"-Alben auf CD 37. CD als neue Vervielfältigungsart und Altverträge UrhG § 31 IV Die Möglichkeit der Vervielfältigung einer Musik auf CD war 1971 eine noch unbekannte Vervielfätigungsart. (Leitsatz der Redaktion) OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.1995 - 20 U 86/95 Zum Sachverhalt: Der Kl. und Herr M waren Mitglieder und gleichzeitig Produzenten der Musikgruppe "Neu!". Die Bekl. ist ein in H. ansässiger Musikverlag. Am 17.12.1971 schlossen der Kl. und die eben genannten weiteren Herren mit der Bekl. einen sogenannten Bandübernahmvertrag, dessen Gegenstand das Recht war, Tonbänder mit Schallaufnahmen der Gruppe "Neu!" auszuwerten. § 1 II dieses Vertrages enthält folgende Regelung: "Produzent überträgt X das ausschließliche und übertragbare Auswertungsrecht an diesen Schallaufnahmen. Diese Rechtsübertragung schließt ein das Recht der öffentlichen Aufführungen sowie die Verwertung im Hörrundfunk, Fernsehen und Tonfilm sowie ferner das ausschließliche Recht, die Schallaufnahmen zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen, und zwar in jeder heute und zukünftig technisch möglichen Art." Der vom Bandübernahmevertrag erfaßte Gesamtkatalog der Gruppe "Neu!" wurde von der Bekl. in den Jahren 1971 bis 1974 auf drei Vinyl-Langspielplatten veröffentlicht. Diese Platten wurden 1982 von der Bekl. vom Markt genommen. Die Bekl. beabsichtigt, die Titel der Gruppe "Neu!" auf Compact-Disc (nachfolgend: CD) zu veröffentlichen und nahm Verhandlungen mit dem Kl. und seinem Mitproduzenten auf. Während die Mitproduzenten ihre Einwilligung zu einer Neuveröffentlichung erteilten, kam es mit dem Kl. nicht zu einer Einigung. Anläßlich eines Telephongesprächs am 27.9.1994 kündigte die Bekl. dem Kl. an, daß sie die Neuauflage der Titel auf CD nunmehr ohne seine Mitwirkung und Zustimmung vornehmen werde. Der Kl. begehrt die Unterlassung der Veröffentlichung der Tonaufnahmen auf CD. Das LG gab dem Unterlassungsantrag statt. Die Berufung der Ag. hatte keinen Erfolg. Aus den Gründen: Mit Recht hatte das angefochtene Urteil die Beschlußverfügung bestätigt, durch die der Ag. verboten wurde, "Tonaufnahmen auf CD, DCC, MD und/oder DAT der Musikgruppe "Neu!" unmittelbar oder über Dritte zu veröffentlichen, zu vervielfältigen oder zu verbreiten." Die Vervielfältigung dieser Aufnahmen auf digitalen Tonträgern, insb. auf Compact-Disc, ist ohne Zustimmung des Ast. unzulässig. Dem Ast. steht insoweit ein Unterlassungsanspruch aus § 971 UrhG zu, den er gem. § 8 II 3 UrhG allein geltend machen kann, obwohl er nur Miturheber ist (vgl. BGH, NJW 1996, 1495 [1497] - Videozweitauswertung III). Die Veröffentlichung der Schallaufnahmen auf CD bedarf der Zustimmung (auch) des Ast. Das gilt trotz der umfassenden Überlassungsklausel in § 1 II des Vertrages vom 17.12.1971, wonach die Ag. das Recht hatte, die Aufnahmen zu vervielfältigen, "und zwar in jeder heute und zukünftig technisch möglichen Art." Derartige umfassende Klauseln sind nach § 31 IV UrhG unwirksam, soweit sie "noch nicht bekannte Nutzungsarten" betreffen. Dies entspricht dem Schutzzweck der Bestimmung, nach dem in jedem Fall dem Urheber die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben soll, ob und gegen welches Entgeld er mit der Nutzung seines Werkes auch für die neu erfundene Art einverstanden ist (BGH, NJW 1995, 1496 [1498]). Die Möglichkeit einer Vervielfältigung auf CD war 1971 eine noch nicht bekannte Nutzungsart im Sinne des Gesetzes. Nach der Rspr. des BGH ist nämlich eine Nutzungsart nur dann bekannt, wenn sie nicht nur mit ihren technischen Möglichkeiten bekannt ist, sondern auch als wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar (BGH, NJW 1995, 1496 [1497]). Technische Möglichkeiten und wirtschaftliche Verwertbarkeit müssen also beide bekannt sein, wenn eine Nutzungsart i.S. des Gesetzes "bekannt" sein soll (vgl. auch BGH, NJW 1986, 1244 [1246] - GEMA-Vermutung 1). Das angefochtene Urteil hat § 31 IV UrhG deshalb angewendet, weil 1971 die wirtschaftlichen Möglichkeiten einer Vervielfältigung auf CD noch nicht bekannt waren. Nach der zitierten höchstrichterlichen Rspr. kann das im Ergebnis offenbleiben. Denn danach genügt es, wenn damals die technischen Möglichkeiten der CD bzw. der digitalen Tonaufnahme und -wiedergabe noch nicht bekannt waren. Das aber ist für das Jahr 1971 nicht nur unter den Parteien unstreitig, sondern allgemein bekannt (vgl. Hertin, in: Fromm / Nordemann, UrhR, 8. Aufl., §§ 31/32 Rdnr 18: erste Vorstellung der CD-Technologie in der Öffentlichkeit im März 1979). aus: NJW 7/96 Ergänzung: Aus Anlaß des Rechtsstreites East West Records gegen Dinger um die CD-Rechte an den Alben der Gruppe La Düsseldorf teilt die Rechtsanwaltskanzlei H&H, die Klaus Dinger vertritt, in einem Brief an die Hamburger Rechtsanwaltskanzlei H&H vom 7.März 2000 folgendes mit: Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, in der Angelegenheit East West Records gegen Dinger hat zwischenzeitlich auch das Kammergericht unter NJW-RR2000,269 die Auffassung vertreten, daß die CD im Verhältnis zur LP eine neue Nutzungsart im Sinne des §31 IV UrhRG darstelle. Damit haben sich zwischenzeitlich mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf zwei Oberlandesgerichte dieser Lesart angeschlossen, während die einzige abweichende Entscheidung nach hiesiger Kenntnis diejenige des Landgerichtes Köln ZuM-RD 1999, 390 ist. Wir bitten ggf. um Weitergabe der Fundstelle der Entscheidung des Kammergerichtes. Mit freundlichen kollegialen Grüßen, |
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